„Fühlt sich surreal an“: twocolors im Interview über ihren musikalischen Werdegang
Mit „Lovefool“ landete das Duo twocolors 2020 einen Hit. Erst 2024 stand die erste Tour an. Soundground hat Pierro zum Interview getroffen.
Anfang der Corona-Pandemie stürmte das Duo twocolors mit einer Neuauflage des Songs „Lovefool“ die Charts. Für Emil Reinke und Pierre-Angelo Papaccio war das der endgültige Durchbruch. Seitdem sind die beiden Musiker nicht mehr aus der Musikbranche wegzudenken. Nach der Pandemie spielten sie bereits auf unzähligen Festivals. Im Herbst 2024 stand dann endlich die erste eigene Tour auf der Agenda. Soundground hat sich mit dem Duo am Tag des Tourabschlusses zu einem Interview verabredet, um ein wenig über die gewonnenen Eindrücke zu quatschen. Jedoch gab es direkt eine kleine Hiobsbotschaft zu verkraften: Emil war krank und wollte sich für den Abend auskurieren. Absolut verständlich. Pierro (wie Pierre-Angelo von allen genannt wird) nahm sich aber trotzdem Zeit für uns und sprach mit uns über das Tourleben, den Karriereverlauf von twocolors und verriet auch, warum Nina Chuba gelegentlich mit den beiden zusammenarbeitet.
Wir legen direkt los!
Soundground (SG): Ihr seid gerade auf eurer ersten eigenen Tour. Wie fühlt sich das für euch an?
Pierro: Boah, es fühlt sich irgendwie voll surreal an. Wir haben ja schon viele Festivals gespielt. Da kommen Leute hin, die wollen zum Festival und sehen natürlich auch andere DJs. Und jetzt ist es so, dass die Leute sich extra ein Ticket kaufen, damit sie nur uns sehen. Und das ist ein richtig cooles Gefühl. Es freut uns einfach.
SG: Ihr habt nicht nur Tourtermine in Deutschland gehabt, sondern auch im Ausland.
Pierro: Genau. Warschau war richtig cool. Da waren zwar nicht viele Leute, aber die Stimmung war richtig gut. Die sind so abgegangen, also von Anfang bis Ende. Wir waren auch in Zürich. Und da habe ich so erwartet, dass die Schweizer ein bisschen in sich gekehrt sind. Die freuen sich so von innen. Und das war aber total verrückt. Das war wirklich die Stadt, die fast am meisten abgegangen ist. Es war richtig krass. Aber das ist halt meistens immer so.
SG: Was ist euch bisher auf Tour in besonderer Erinnerung geblieben?
Pierro: Eine lustige Geschichte, die in Zürich passiert ist. Wir haben im Set eine Stelle, da spielen wir so ein richtig hartes Lied, so ein Festival-Lied. Und da sagen wir: ‘Okay, Leute, jetzt macht mal den Kreis auf, macht einen Moshpit! Und beim Drop gehen wir alle in die Mitte und rasten richtig aus.’ Und ich und Emil gehen dann immer in diesen Moshpit mit rein, also in die Mitte. Wir haben wirklich den größten Kreis gemacht von der ganzen Tour. Wir so: ‘Alter, jetzt springen die alle in die Mitte, das wird so krass.’ Und dann zählen wir von drei an runter und alle springen uns entgegen. Und dann sind die Leute einfach nicht reingekommen in den Moshpit. Wir standen in der Mitte und alle gucken uns einfach nur an und die sind nicht reingekommen. Da haben Emil und ich uns einfach nur überrascht angeguckt. Dann haben wir aber ein paar Leute reingezogen und dann sind sie reingekommen. Aber das war echt ein lustiger Moment.
SG: Geht man sich eigentlich auch mal auf den Sack, wenn man so lange gemeinsam unterwegs ist?
Pierro: Ja, auf jeden Fall. Jetzt nicht unbedingt stark, aber das ist ja auch voll normal, dass man sich mal gegenseitig auf die Nerven geht. Vor etwa fünf Jahren war das schon ein bisschen mehr. Wir haben uns schon ein bisschen öfter gestritten. Aber wir kennen uns mittlerweile schon so gut, dass wir wissen, wann man lieber gehen sollte. Ich kenne Emil jetzt schon so gut, dass ich weiß, was ihn aufregt oder was er nicht gut findet und worüber man reden sollte. Wir sind mittlerweile richtig gut eingespielt.
SG: Ihr macht eigentlich schon seit 2015 zusammen Musik, aber euren ersten richtig großen Charterfolg hattet ihr erst 2020 mit dem Song „Lovefool”. Hat das irgendwas mit euch gemacht, dass ihr euch nicht direkt „live beweisen” konntet?
Pierro: Das Lied ist während der Pandemie echt abgegangen. Dass wir nicht live spielen konnten, fanden wir rückblickend gar nicht so schlimm, weil wir in der Zeit richtig viel Musik gemacht haben. Und wir wissen es ja jetzt, wenn du ein Lied hast, was abgeht, dann will dich jedes Festival haben. Und du bist dann halt nur noch unterwegs und kannst gar keine Musik mehr machen.
SG: Lastet dann nicht auch irgendwo ein innerlicher Druck, immer wieder an den Erfolgen anknüpfen zu müssen? Denn ihr liefert ja konstant gute Musik ab.
Pierro: Ja, klar ist da ein bisschen Druck. Aber man darf sich von diesem Druck nicht so viel beeinflussen lassen, weil das tut der Musik überhaupt nicht gut. Die beste Musik, die wir bis jetzt gemacht haben, ist ohne Druck entstanden. Wenn du im Studio bei einer Session bist, solltest du deine Entscheidungen nicht andauernd hinterfragen. Denn wenn du die schon hinterfragst, dann hast du eigentlich schon verloren. Du musst einfach mit dem Flow gehen und dann kommt im besten Fall was Gutes dabei raus.
SG: In deiner Familie gibt es ja auch einige Musiker, richtig?
Pierro: Ja, mein Uronkel war Opernsänger. Mein Onkel und mein Opa waren auch Musiker. Aber meine Eltern sind jetzt nicht hauptberuflich Musiker*innen.
SG: Dennoch eine sehr musikalisch begabte Familie. Was sagt deine Verwandtschaft denn dazu, insbesondere deine Eltern, dass du erfolgreich mit deiner Musik bist?
Pierro: Meine Eltern haben das alles immer unterstützt, was ich gemacht habe. Bis zu einem ganz langen Zeitpunkt. Und dann erhofft man sich, dass man das irgendwie zu seinem Hauptberuf machen kann. Aber die sind einfach stolz. Die freuen sich jedes Mal, wenn die meine Musik im Radio hören. Das finden die richtig cool. Ich glaube, das ist ja auch das erste Mal heute, dass meine Eltern mich live sehen mit unserem Live-Set.
SG: Wirklich?
Pierro: Ja, die haben uns immer nur DJing gesehen. Es wird auf jeden Fall aufregend.
SG: Wie seid ihr eigentlich auf den eigenen, etwas futuristisch angehauchten Style gekommen, der in eurer Kleidung und in euren Musikvideos zu finden ist?
Pierro: Wir beide lieben Mode. Wir fanden es immer cool, Leute in der Musikbranche zu sehen, die ganz eigen aussehen. Wir haben uns mal hingesetzt und uns alle bekannten DJs angeguckt. Und die sahen – no Front – alle immer so ein bisschen gleich aus. Das kann man zwar machen, aber wir wollten irgendwie ein bisschen anders aussehen. Und dann hat sich das irgendwie entwickelt, dass wir mit einer Weste angefangen haben. Dann kam noch so eine Liquid-Metal-Hose dazu. Dann hat sich das auch noch von Video zu Video so entwickelt. Wir drehen unsere Musikvideos auch immer selbst. So kam es dann dazu, dass wir dieses twocolors-Future-Thema bedienen.
SG: Ihr gebt euch für eure Musikvideos richtig Mühe. Jedoch gibt es einige Artists, die überlegen, diese Produktion wegzulassen, da sich kaum noch jemand dafür interessiert – oder sie tun es bereits. Wie seht ihr das?
Pierro: Wir haben schon immer das gemacht, was wir gut finden. Wir lieben Filme und Musikvideos. Deswegen war es uns immer ganz wichtig, dass ein Musikvideo zu einer erscheinenden Single kommt. Wir wollen ja auch so ein bisschen die Geschichte von twocolors erzählen. Und das kannst du mit Musikvideos total gut. Damit kannst du auch eine visuelle Ästhetik erschaffen. Und das war uns immer wichtig und wird sich auch nicht ändern.
SG: In euren Lyrics geht es oftmals um Liebe und Herzschmerz. Was inspiriert euch zu diesen Themen?
Pierro: Zum einen sind das natürlich eigene Erfahrungen, die man da verarbeitet. Zum anderen kennt jeder diese Gefühle. Und wir finden es immer cool, dass die Lyrics eine Bedeutung haben. Es muss nicht immer sein, dass du ein Elektro-Lied machst, das einem das Gefühl vermittelt, dass man am Strand liegt, chillt oder Margaritas trinkt und Spaß hat. Es sollte schon auch eine deepe Bedeutung haben. Das ist uns immer ganz wichtig.
SG: Euer neuster Track heißt „Fearless”. Wovor bist du furchtlos?
Pierro: Boah, furchtlos bin ich, wenn ich in meinem Bett liege und meine Tür abgeschlossen habe. (lacht)
SG: Nur echte OGs wissen, dass ihr mit Nina Chuba zusammenarbeitet. Was macht die Zusammenarbeit so besonders?
Pierro: Nina hat einfach eine total eigene Stimme. Sie macht gar nicht so eine crazy Technik. Man spürt ihre Stimme irgendwie und sie macht das ganz gefühlvoll. Sie kann natürlich auch super schreiben. Das ist total krass. Und das passt halt alles immer zu unserem Style. Deswegen arbeiten wir gerne mit ihr zusammen.
SG: Gibt es jemanden auf eurer musikalischen Bucketlist, mit dem ihr euch eine Zusammenarbeit wünscht?
Pierro: Boah, wenn wir jetzt groß denken: Wir finden Rosalia richtig gut. The Weeknd ist auch nice. Aber generell versuchen wir immer Artists zu nehmen, die noch nicht jeder auf dem Schirm hat. Aber ja, ansonsten wären es die beiden großen Namen.
SG: 2024 ist so gut wie vorbei. Ihr macht jetzt auch einen Haken an die erste eigene Tour. Gibt es schon Pläne für 2025, die ihr anteasern dürft?
Pierro: Ja, wir gehen 2025 wieder auf Tour. Ich denke mal, das wird so die gleiche Zeit sein, also im Herbst. Kommt vorbei, wenn ihr einen legendären Abend erleben wollt! Festivals kommen natürlich auch noch dazu.